Selbstverteidigung und Corona?!

Selbstverteidigungskurs mit 1.5 Meter Abstand? Wie soll das gehen?

Das habe ich mich gefragt, bevor ich vor 4 Wochen die Selbstverteidigungskurse für Frauen im QuartierInfo Mett wieder aufnahm. Ich dachte über jene Aspekte nach, die nicht mit der unmittelbaren körperlichen Konfrontation zu tun haben und kam zu dem Schluss, dass es sinnvoll ist, diesen Aspekten besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Zuschlagen ist technisch sehr einfach, selbst Kleinkinder können dies bereits. Doch ab einem gewissen Alter verinnerlichen viele Frauen den Wunsch, anderen nicht weh zu tun und der Schlag wird unbewusst abgebremst. Diese Rücksicht haben leider nicht alle Mitmenschen verdient und wenn ich für mich selber verantwortlich sein will, ist die Schlaghemmung äusserst unpraktisch.
Viele Frauen fürchten vorallem sexualisierte Gewalt wie Belästigung, Erniedrigung und Vergewaltigung. Damit geht oft körperliche Gewalt einher, doch die unsichtbaren seelischen Wunden bleiben möglicherweise ein Leben lang. Sexualisierte Gewalt entsteht nicht zuletzt weil Frauen als Objekte und/oder Opfer wahrgenommen werden. Jahrtausende patriarchaler Unterdrückung haben dazu geführt, dass sich Frauen durch Körpersprache klein machen und sich zurücknehmen um Situationen zu entschärfen. Meinungen und Standpunkte werden sprachlich und mimisch relativiert und aus Besorgnis davor, wie das Gegenüber auf Zurückweisung reagieren wird, wird ein klares Nein vermieden. Diese einstige Überlebensstrategie ist auf dem Weg in eine egalitäre Gesellschaft hinderlich, denn durch selbstsicheres Auftreten, aufrechte Körperhaltung und klare Worte verschaffe ich mir Respekt und werde ernstgenommen.

Gewalt entsteht häufig innerhalb eines Machtgefüges, wobei der/die Täter*in eine übergeordnete Stellung ausnutzt. Gerade bei Gewalt am Arbeitsplatz, Gewalt in Partnerschaft und Familie ist es essentiell dieses Machtgefüge zu durchbrechen, indem ich mir Hilfe suche. Nur wenn ich mich selber achte, werde ich die Gewalt gegen mich verurteilen können und die Kraft aufbringen, Menschen darum zu bitten für mich einzustehen.

Selbstverteidigung auf Körperkontakt und Muskel- und Schlagkraft zu reduzieren greift also viel zu kurz. Die kulturellen, sozialen und psychologischen Grundlagen der Selbstverteidigung lassen sich sehr gut mit der aktuell auferlegten Distanz von 1.5 Metern erlernen.

Deshalb werde ich den Kurs am Montagabend im InfoQuartier Mett in Biel, trotz Hygienemassnahmen, den Sommer über weiterführen.

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